Patient im REHAB: «Unter dem Strich geht es mir jetzt besser.»

Die Frontalkollision mit einem Sportwagen hat Felipe Curado überlebt. Zur Heilung hat das REHAB Basel viel beigetragen.

Felipe Curado ist mit seinem Rennvelo auf einer Strasse im Wald unterwegs. Plötzlich rast ihm ein Sportwagen entgegen, auf seiner Strassenseite. Er hat keine Chance, die Aufprallgeschwindigkeit beträgt rund 80 Stundenkilometer. Lebensgefährlich verletzt wird Felipe Curado zuerst im Akutspital behandelt, dann im REHAB Basel. Knapp drei Jahre nach dem Unfall erzählt er, wie er zurück ins Leben gefunden hat.

REHAB: Wie war es für Sie, als Sie wieder aufs Velo steigen konnten?

Felipe Curado: Es war hier im REHAB Basel, in der Therapie. Mein Gleichgewichtssinn wurde getestet. Auf jeder Seite rannte ein Physiotherapeut, um mich aufzufangen, falls ich falle. Es ist gutgegangen. Ich wusste immer, ich werde das wieder können. Ja, es war ein wichtiger Moment für mich.

Es ist nicht selbstverständlich, dass Sie wieder auf ein Velo steigen wollten.

Ich habe keine Erinnerung an den Unfall. Aber ja, es gab Ängste: Hecken, Wind, Regen, laute Autos. Eine Psychologin vom REHAB sagte mir: Ängste gehen nicht weg ohne Konfrontation mit der Ursache. Das hat mir eingeleuchtet. Ich bin dann bewusst ein paar Kilometer bei Regen gefahren, es ist nichts passiert. «Okay, ich kann bei Regen fahren.» Dasselbe habe ich bei Wind gemacht, und so weiter. Laute Autos und Motorräder sind für mich noch unangenehm. Aber ich fokussiere dann auf mich: Ich will diese Tour machen. Das hilft. Nicht auf die Angst fokussieren, sondern auf das, was ich tun will.

Sie machen wieder grössere Touren?

Ja. Letzten Sommer erlebte ich eine der glücklichsten Wochen in meinem Leben. In Bellinzona startete ich auf eine Tour über mehrere Pässe: San Bernardino, Splügen, Maloja, Julier … ich bin im Walensee geschwommen, am letzten Tag ging es bis Zürich, und alles bei super Wetter und ohne Termindruck. Es war fantastisch.

Was empfinden Sie gegenüber dem Autofahrer, der den Unfall verursacht hat?

Ich versuche, neutral zu sein und die Ereignisse zu akzeptieren, wie sie sind. Ich versuche, ihm gegenüber kein schlechtes Gefühl zu haben. Ich gehe davon aus, er hatte keine böse Absicht gegen mich persönlich. [Zögert.] Aber er hat den Unfall provoziert, das ist klar.

Eine der glücklichsten Wochen.

Wie weit gehen Ihre Erinnerungen zurück? Wann setzen sie wieder ein?

Es fehlen mir zwei Monate. Die Erinnerungen beginnen hier auf Station 3. Alles war neu. Ich wusste nicht, wo ich war, in welchem Gebäude, in welchem Land. Schwer zu beschreiben, es ist ein Gefühl.
Mein Vater war bei mir. Er hat mir später erklärt, was passiert ist. Meine ersten Erinnerungen sind das Badezimmer, das Lavabo, die Wände in diesem kräftigen Dunkelorange. Später habe ich im Zimmer das Dachkuppelfenster wahrgenommen und es wurde mir bewusst: Ich bin in der Klinik, die Herzog & de Meuron gebaut hat. Ich war sehr aufgeregt.

Herzog & de Meuron ist Ihr Arbeitgeber, Sie sind selber Architekt.

Ja. Ich habe an diesem Projekt zwar nicht mitgearbeitet, aber ich kannte es schon vor dem Unfall gut und mochte es sehr.

Die Architektur der Klinik soll den Genesungsprozess der Patientinnen und Patienten unterstützen. Wurde dieses Ziel erreicht? Sie dürfen jetzt natürlich nichts anderes sagen.

[lacht] Ich kann nicht für alle Patienten reden, aber für mich war es hier optimal. Vor allem diese Transparenz, die das Gebäude auszeichnet. Ich konnte die anderen sehen. Man sieht sich gegenseitig. Bei jedem ist die Rehabilitation anders, aber man sieht, wie andere trainieren und Fortschritte machen. Das motiviert.
Wichtig waren für mich auch die Treppen. Zum ersten Stock ist die Treppe recht flach, zum zweiten ist sie steiler. Wenn der Therapeut sagte, «heute machen wir dir Treppe ins erste OG», dachte ich: easy. Wenn er sagte, «heute Treppe ins zweite OG», wusste ich: Uh! Jetzt wird’s anstrengend.

Konnten Sie auch das Badhaus nutzen?

Das Badhaus ist ein unglaublich schöner, fast schon magischer Ort. Aber leider durfte ich nicht im Wasser therapiert werden. Die Heilung meiner Wunden hat lange gedauert, und es bestand die Gefahr einer Infektion. Erst nach meiner stationären Zeit im REHAB erhielt ich die Möglichkeit, das Badhaus zu geniessen. Ich begab mich im angenehm warmen Wasser an die Stelle, auf die alle Deckenfenster ausgerichtet sind. Es war wunderbar.

Felipe Curado mag die Transparenz in der Architektur des REHAB Basel.

Was mussten Sie nach dem Unfall wieder erlernen?

Zuerst konnte ich nur liegen. Ich musste lernen, mich auf einen Rollstuhl zu begeben und wieder zurück aufs Bett zu kommen. Später lernte ich, mit Unterstützung zu gehen. Und dann ohne Unterstützung.

Ich habe Sachen gelernt, die ich vorher nicht so gut konnte. Mein Körperbewusstsein ist jetzt viel besser. Wenn ich etwas tun muss, bin ich mir bewusst, wie ich es am besten umsetze. Da profitiere ich vor allem von der Ergotherapie. Ich habe auch gelernt, mein Leben besser zu planen. Ich überlege mir heute, wofür ich wie lange brauche, und räume mir für alles genug Zeit ein. Schliesslich habe ich auch gelernt, zu geniessen. Vor dem Unfall war ich oft auf Leistung ausgerichtet. Nach der Zeit im REHAB war ich manchmal enttäuscht, weil ich körperlich besser sein wollte. Ich konnte dann innerlich adaptieren: geniessen, statt schneller und stärker sein wollen. Es hat einige Monate gedauert, bis ich die Haltung ändern konnte, aber es ist mir gelungen. Also unter dem Strich geht es mir jetzt besser.


Welche Therapien haben Ihnen dabei geholfen?

Um die Bewegungsfähigkeit zurückzugewinnen, brauchte ich vor allem Physio- und Ergotherapie. Die tiergestützte Therapie hat mir sehr gut gefallen, wo ich mit Schweinen und Pferden arbeiten konnte. In der Logopädie ging es für mich vor allem darum, gedanklich und beim Sprechen nicht abzuschweifen, sondern am Thema zu bleiben.
Auch die Tischtennisgruppe war toll. Manche sitzen im Rollstuhl, andere können stehen. Es geht nicht ums Gewinnen, sondern ums Machen. Manchmal mussten wir beim Spielen kopfrechnen: bei jeder Ballberührung plus 7. Das mache ich manchmal heute noch. [lacht]

Sehr schön war es in der Rekreation, wo die Entspannung im Vordergrund stand. Das Musizieren hat mich sehr angesprochen. Ich habe im REHAB wieder angefangen, Schlagzeug zu spielen. Nach der Zeit in der Klinik habe ich mir E-Drums gekauft, ein Schlagzeug, das man mit Kopfhörern spielen kann. Zudem habe ich Lieder aus der Schweiz kennengelernt, von Mani Matter zum Beispiel.

Wie lange dauerten die Heilungsprozesse?

Mein Name «Curado» bedeutet auf Portugiesisch «geheilt». Ganz geheilt bin ich vielleicht nie, aber es ging im REHAB schnell voran. Im Juni 2019 passierte der Unfall, von Juli bis Dezember war ich stationär im REHAB, dann ein halbes Jahr in der Tagesklinik, und seither nur noch ambulant, zum Beispiel für neuropsychologische Termine. Physiotherapie habe ich inzwischen ausserhalb des REHAB.

Müssen Sie mit Spätfolgen zurechtkommen?

Ja, die körperliche Dehnbarkeit ist eingeschränkt. Es ist für mich schmerzhaft, auf dem Boden zu sitzen. Bei einem Picknick muss ich stehen oder liegen. Die rechte Augenbraue kann ich nicht anheben. Und ich habe natürlich Narben. Aber ich kann sehr zufrieden sein, wie es mir jetzt geht.

Das Badhaus – fast schon ein magischer Ort.

Wie haben Sie das REHAB von der Atmosphäre her erlebt?

Alle Mitarbeitenden sind sehr freundlich, in allen Bereichen. In den Therapien musste ich hart arbeiten, hatte manchmal Schmerzen, aber die Stimmung war immer positiv und motivierend. Ich komme immer sehr gerne hierher zurück. Ich verbinde den Ort mit guten Erinnerungen. Gewissermassen wurde ich hier wieder geboren.

Hatten Sie Unterstützung von der Familie?

Ja. Meine Eltern wohnen in Brasilien. Zwei Stunden, nachdem sie von meinem Unfall erfahren haben, buchten sie einen Flug in die Schweiz. Am nächsten Tag kamen sie hier an. Zuerst waren beide hier, nach ein paar Monaten haben sie sich abgewechselt. Auch mein Onkel und mein Bruder haben mich besucht. Ja, ich hatte viel Unterstützung, auch telefonisch. Das war wichtig für mich.

Können Sie wieder mit einem vollen Pensum arbeiten?

Ich arbeite wieder zu 80 Prozent, wie vor dem Unfall. Das passt für mich sehr gut. Ich bin sehr glücklich mit meiner Arbeit.

Es heisst, aus Schicksalsschlägen könne man lernen. Sehen Sie das auch so?

Zu dieser Frage könnte ich ein Buch schreiben. Ja, ich habe gelernt. In wenigen Sätzen: Das Leben ist nicht immer ideal. Ich kann nicht alles kontrollieren. Es passieren unerwartete Dinge. Ich muss diese Ereignisse akzeptieren und das Beste daraus machen. Ich muss flexibel sein, adaptieren und weitermachen. Im Jahr, als der Unfall geschah, hatte ich Pläne, die ich nicht umsetzen konnte, aber deshalb ist mein Leben nicht kaputt. Ich konnte sie später umsetzen, in angepasster Form.

Ein anderer wichtiger Punkt: Ich darf nicht darauf warten, dass es kommt, wie ich möchte. Bei mir gab es kein Medikament, das ich einnehmen kann, und dann ist in drei Monaten alles wieder gut. Ich musste viel dafür arbeiten. Ich hatte den festen Glauben, dass ich die einzelnen Ziele erreichen kann, ohne zu wissen, wie lange es dauert, aber ich war überzeugt, wenn ich dranbleibe, klappt es. Und so war es dann auch.


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